Am vergangenen Wochenende fand in Hamburg das zweite DestinationCamp statt. Ziel der Veranstaltung war es, Brennpunkte im Tourismus zu identifizieren und an Lösungsstrategien zu arbeiten. Mir wurde die Ehre zuteil, die Co-Moderation zum Thema „Vom Klischee zur Marke“ zu übernehmen. Moderiert wurde der Themenslot vom Altmeister des digitalen Marketings – Michael Domsalla. Da ich die meiste Zeit damit beschäftigt war den Verlauf der Diskussion in einer Mindmap zusammenzufassen, hier jetzt meine Gedanken zu dem, was wir erarbeitet haben:
Zunächst diskutierten wir über das Verhältnis von Sub- und Dachmarken. Um dieses Verhältnis klären zu können, mussten wir erarbeiten, was eigentlich eine Destination ist und ausmacht. Wir sammelten verschiedene Abgrenzungsräume: Politische, Geographisch, Natur- und Kulturräume. Wichtigster Hinweis war jedoch, dass eine Destination im touristischen Kontext immer vom Gast und von den Einwohnern definiert wird. Die große Frage ist nun, wie bekommt man Einfluss auf diesen Geltungsbereich. Sprich, wie kann man die Destinationsmarke führen?
Die Antwort liegt in dem, was wir Klischee nennen. Warum? Eine Kernaussage hier: „Die Destinationsmarke muss erlebbar sein“. Das bedeutet man muss im Marketing zunächst von dem ausgehen, was der Gast mit einer Destination assoziiert. Die Klischees über die Destination. Diese Klischees bestimmen gleichzeitig den Raum der Destination. Um die Marke dann jedoch authentisch und glaubwürdig werden zu lassen, muss sie anschlussfähig in der Bevölkerung sein. Sie muss adaptierbar sein und sich im heutigen Lebensstil wiederfinden. Wir definierten daher das Klischee als einen „historisch, gesellschaftlichen Aushandlungsprozess“. Wenn es gelingt, diesen zu erfassen, dann ist man ganz nah an dem, was die Destination zusammenhält: „Mia-san-Mia“ ist mehr als nur eine leere Phrase. In diesem Satz steckt alles, was Bayern ausmacht. Er steht repräsentativ für einen Wertebereich. Die Abgrenzung, das Klischee und die Werte. Und deshalb ist dieser Satz schließlich identitätstiftend. Wer eine Destinationsmarke so versteht und im Marketing umsetzt, der gibt dann auch dem Gast eine Orientierung. Er kann die Destination mit Inhalt füllen, der vor Ort erlebbar wird. Im Marketing sind diese Klischees „Träger, Spielball und Futter der Kommunikation“. Sie verknüpfen den historischen Wertekern mit dem heutigen und münden in dem, was beides zusammenführt: „Laptop und Lederhose“.
Am zweiten Tag ging es darum, aus den Ergebnissen des ersten Tages Maßnahmen herauszuarbeiten. Wir entschieden uns dazu, ein Modell zu entwickeln. Denn dadurch, dass wir uns auf einer solch abstrakten Ebene befanden, war es sehr schwer das ganze greif- und erklärbar zu machen. Wichtigster Hinweis und Kernsatz des zweiten Tages: „Die Destination muss als Mensch gesehen werden“. In all seinen Fassetten. Ich würde dem noch hinzufügen, dass man sie als öffentlich ausgehandelte Persönlichkeit umschreiben könnte. Denn in ihr finden sich Merkmale, welche mit einem menschlichen Wertecluster vergleichbar sind. Aber diese Werte sind stets im Diskurs gewachsen.
Wir kamen in unserer Diskussion bis zu dem Punkt, an dem wir erarbeiten wollten, wie man die abstrakten Begriffe Klischees, Werte und Identität (die schließlich die Destinationsmarke ausmachen), messen könnte. Wir konnten noch Messgrößen wir Relevanz, Stärke, Konnotation und vor allem Verankerung (in der Gesellschaft) identifizieren. Konkrete Methoden bleiben uns dann für das nächste Jahr. Ich könnte mir hier ethnographische Methoden vorstellen. Ob nun offline, oder online (Stichwort: Webnography). Wichtiges Resümee ist jedoch, dass es durch diese Sicht auf eine Destination keinen Unterschied mehr zwischen Standort- und Tourismusmarke gibt. Denn die Marke muss sowohl nach innen, als auch nach außen wirken.
Ich freue mich schon auf das nächste DestinationCamp. Wer nicht dabei sein konnte, kann schon jetzt eine Dokumentation der Ergebnisse nachlesen. Ein Whitepaper folgt dann bis mitte/ende Mai und ist dann auf dem Blog von Netzvitamine abrufbar.
PS: Dieser Beitrag ist recht kurz gehalten. Wer das ganze im Detail, emotional aufgeladen und von einem Markenliebhaber lesen möchte, dem empfehle ich an dieser Stelle die Zusammenfassung von Michael Domsalla.
Hallo Eric,
danke Dir für die Zusammenfassung. War wirklich eine spannende Veranstaltung und kreativer Workshop zum Abschluss am Sonntag zur Erarbeitung des Modells.
Im Rahmen der teilnehmenden Beobachtung (ein Instrument der Ethnografie) kann ich mich Dich sehr gut vorstellen, wie Du auf der Suche nach Klischees regionale Volksfeste und anderes Brauchtum in der Tiefe studierst. Für die Entwicklung einer Marke allerdings ein eher langwieriger und zeitintensiver Prozess. Die Analyse der Fremdsicht (Gast a) der die Destination bereits kennt und b) der noch nicht von ihr gehört hat) und der Eigensicht (Einwohner) sind aber tatsächlich wichtige Bestandteile für die Entwicklung einer von beiden Fraktionen getragenen, und durch Werte aufgeladenen Marke.
Das DestinationCamp hat viele gute Ansatzpunkte geliefert. Freue mich auf die Fortsetzung der Diskussion.
beste Grüße, Alex
Hey Alex,
aber genau dafür gibt es ja das Internet. Und Tools, mit denen man Ethnographie auch online umsetzen kann. Das ist eine ganz spannende Angelegenheit. Der Einsatz von modernen Technologien in klassischer Ethnographie im iterativen Prozess. Das ist dann gar nicht mehr so aufwendig, wie Du Dir das vorstellst. Und auch so lassen sich Wertecluster identifiziert – innen und außen. Dazu hab ich auch schon mit nem Bekannten ein Paper veröffentlicht. Beim nächsten Treffen mehr dazu…
Viele Grüße nach Berlin
Eric
Pingback: Money can’t buy me love | Eric Horster